Es stand ein Sonntag mit gutem Wander-Wetter ins Haus. Was liegt da näher als eine kleine Wanderung in der Umgebung. Die Wahl fiel auf den voriges Jahr errichteten Themenweg „Droste-Landschaft: Lyrikweg“ der Annette von Droste zu Hülshoff-Stiftung. Umfangreich ausgestattet, mit Informationsstelen in der freien Landschaft und einer begleitenden Smartphone-App fällt dieser Weg jedem und jeder ins Auge, der öfter mal draußen zwischen Burg Hülshoff in Havixbeck und Haus Rüschhaus in Nienberge unterwegs ist.
Gesagt, getan: Den Hund in den Fahrradanhänger gepackt, und ab ging es zum Ausgangspunkt Burg Hülshoff in Havixbeck. Etwa sieben Kilometer Strecke in eine Richtung waren zu erwandern. Da die Route hier und da verzweigt, musste der Rückweg nicht komplett auf derselben Trasse erfolgen.

Weil Vorbereitung alles ist, galt es natürlich am Vorabend noch, die Lyrikweg-App aufs Android-Smartphone zu installieren. Denn die App ist das Besondere am Lyrikweg: Zwar befinden sich am Weg nach Informationen der Internetseite elf „ausgebaute Stationen“, die mit großen Infostelen versehen sind und mit Informationstexten ein spezielles Thema behandeln und dazu auch Auszüge aus Droste-Werken präsentieren, es gibt aber ein digitales Zusatzangebot. Rein digital sind wiederum nur die zehn zusätzlichen digitalen Haltepunkte erlebbar.
Ohne die Lyrikweg-App ist alles nichts
Und was bietet die App? Zunächst einmal viel Ladebedarf. Knappe 60 Megabyte wurden auf das Smartphone übertragen. Ganz schön viel! Zum Inhalt der Software heißt es auf der Lyrikweg-Website:
„Die App hält für jede der 20 Stationen Informationstexte und literarische Texte der Dichterin zum Lesen und Anhören bereit. An den 10 größeren Stationen bietet die App darüber hinaus Texte, Musik- und Hörstücke bekannter Gegenwartskünstler*innen sowie historische Abbildungen und Interview-Podcasts, die das Thema der jeweiligen Station vertiefen.“
Angekommen bei Burg Hülshoff die erfreuliche Feststellung: Es ist morgens um zehn Uhr noch nicht allzu voll. Gedrucktes Infomaterial liegt in Form eines Lyrikweg-Übersichtsplans auch aus. Dann konnte es ja losgehen. Also die App gestartet, um den auf der Website angepriesenen Audio-Guide zu nutzen. Die Bluetooth-Kopfhörer waren voll geladen. Das müsste für die gesamte Wanderung reichen.
Die App zeigt gern ihren Startbildschirm

Und dann passierte – nichts. Die App präsentierte einen Startbildschirm mit animierten Bindestrichen und Doppelpunkten. Dies tat sie sehr ausgiebig. Dies tat sie sogar ausschließlich. Die App startete einfach nicht. War das Programm mit seinem mega Speicherbedarf vielleicht zu groß fürs nicht mehr ganz taufrische Xiaomi-Redmi-Smartphone?
Mittlerweile war der Verfasser dieser Zeilen bereits einige hundert Meter gelaufen. An Station 1 gab es analoge Informationen zu lesen. Nur an der Ruhe mangelt es. Das lag an zwei Dingen:
- Der begleitende Jagdhund interessierte sich eher für das nahe Damwildgehege und weniger für die Textinformationen.
- Mit jeder Minute wurde es an der Burg voller. Vor allem galt es als Fußgänger, den zahlreichen Radlerinnen und Radlern auszuweichen. Gerade mal gedankenverloren stehenzubleiben und Landschaft oder gar Lyrik zu genießen, ist auf dem Droste-Lyrikweg nicht möglich, weil eine Kollision mit einem Radfahrer nahezu unvermeidlich ist.
Wo nun also geklärt war, dass die App die Kooperation verweigerte, war die Alternative schnell gefunden: Jede Info-Station auf dem Weg ist mit einem schicken QR-Code versehen. Der wird eingescannt und zeigt dann sicher Informationen im Browser des Smartphones an, oder? Nein, so einfach ist es nicht!
Chinesische Produkte finden die Website unsicher

Den QR-Code gescannt, eine URL empfangen, der Smartphone-Browser gestartet – und dieser weigert sich wegen Sicherheitsbedenken, die Seite anzuzeigen. Bemerkenswert: Der Standardbrowser eines chinesischen Produktes verweigert eine münsterländische Internetseite, weil sie zu unsicher sei! Aufgeben ist aber keine Option. Also fix (in Wahrheit dauerte das sicher zehn Minuten) den Standard-Browser auf Chrome geändert. Googles Browser zeigte zwar immer noch Sicherheitsbedenken an, öffnete aber immerhin die Internet-Adresse.
Dann konnte der Lyrikweg-Genuss ja endlich losgehen. Denkste! Denn die URL verwies nur auf den Download der App. Aber die – siehe oben.
Alles in allem scheint der neue Wanderweg möglicherweise literarisch-lyrisch wertvoll zu sein. Die digitale Begleitung, die zum Teil ja durchaus unverzichtbar ist, ist offensichtlich noch optimierungsfähig. Bei einem Projekt, das insgesamt fast eine Million Euro gekostet hat, ist das beachtlich. Vielleicht hätten die Organisatoren an die einzelnen Infostationen einfach eine Nummer für einen Fax-Abruf anbringen sollen. So als Sicherheitslösung, falls andere mediale Zugänge nicht funktionieren.
Der Autor beendete übrigens nach diesem Erlebnis seine Wanderung an Ort und Stelle und fuhr mit Fahrrad, Anhänger und Hund an einen anderen Ort, an dem man als Fußgänger in Ruhe die Landschaft genießen konnte, ohne sich ständig vor Radlern in Sicherheit bringen zu müssen.